Gadmen heute

In den vergangenen Jahrzehnten hat Gadmen das gleiche Schicksal erlebt, wie viele andere Alpentäler auch: Die Jungen zogen weg, die Bevölkerung überalterte, nach und nach schlossen Poststelle, Schulhaus und Lädeli. Resignation und Frustration machten sich breit. Heute leben hier etwas über 220 Menschen – Tendenz eher wieder steigend.

Hilfe zur Selbsthilfe

Die Gemeinde Gadmen fusionierte 2014 mit dem gut zehn Kilometer talwärts liegenden Innertkirchen, und dadurch kam vieles ins Rollen. Plötzlich ging es im Dorf nicht mehr primär darum, die Infrastruktur aufrecht zu erhalten und alle Behördenaufgaben zu bewältigen. Es entstanden Platz und Raum für andere Gedanken und Entwicklungsschritte: Zentral war dabei die Frage, was denn mit der leerstehenden Schule mitten in Gadmen passieren soll.

Es war von Beginn weg klar, dass dies eine sehr emotionale Angelegenheit ist. Generationen von Gadmer Kindern haben hier das Einmaleins gelernt und über Diktaten geschwitzt. Alle fühlen sich mit dem Schulgebäude verbunden. Als dann die Idee aufkam, dieses zu einem Hotel umzunutzen, gab es für die Verantwortlichen nur einen richtigen Weg: Sie gründeten eine Genossenschaft und ermöglichten es den Einheimischen so, selber Teil dieses Vorhabens zu werden.

Stephanie Grossmann

Stephanie Grossmann erzählt, was ihr Heimatdorf ihr bedeutet. Und wo sie früher immer Theater spielte.

Antonia Haider

Antonia Haider erzählt, was sie als Ostschweizerin ins Bergdorf verschlagen hat. Und wie sich ihre Familie hier einlebte.

Michaela Huber

Michaela Huber ist überzeugt, dass das Gadmental unterschätzt wird. Die Aargauerin hat einen Einheimischen geheiratet und lebt seit Jahren in der Region.

Im September 2019 hat die neue Lodge ihre Türen geöffnet. Nebst dem Umbau der Schulzimmer wurden die alten Lehrerwohnungen abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Entstanden sind so ein Restaurant, moderne Hotelzimmer und Mehrbettzimmer für Gruppen. Wer einen Event oder ein grösseres Fest plant, kann die benachbarte Mehrzweckhalle gleich dazu mieten.

Tagesgäste hat die Region mit ihrem sanften, nachhaltigen Naturtourismus schon immer angezogen, doch lange fehlte ein Ganzjahresbetrieb für Übernachtungen. Tatsächlich verweilen im Bergdorf nun mehr auswärtige Gäste, Teilnehmende von Events können jetzt hier übernachten, Familien schätzen das kleine Skigebiet, und die Loipen rund ums Nordic Center sind weit herum beliebt. Im Sommer ist das Gebiet ein Wanderparadies – und beliebter Rastplatz für alle, die auf dem Juwel der Alpenstrassen unterwegs sind: der Sustenpassstrasse.

45 Kilometer ist sie lang, schlängelt sich durch ausgesprengte Tunnels und über zahlreiche Brücken, verbindet das Berner Oberland mit dem Kanton Uri. Als Handels- und Transitachse spielte die Verbindung nie eine tragende Rolle, dafür gehört sie bis heute zu den attraktivsten Touristenrouten der Schweiz. Ihre Linienführung scheint mit dem Gelände zu verschmelzen, sie schmiegt sich an, inszeniert hier und da gar Perlen der Landschaft und hält sich streng an ein ästhetisches Konzept. Die Strasse wurde 1945 eröffnet und hat Gadmen einen zusätzlichen wirtschaftlichen Schub verschafft.

Heute sind die Einheimischen stolz auf ihr Dorf. Die Lodge ist längst auch zu ihrem Treffpunkt geworden, neue touristische Angebote sind entstanden, der Ort lebt wieder auf. Weil die Passstrasse im Winter geschlossen ist, herrscht hier hinten im Tal in den Schneemonaten eine wundervolle Stille. Das schätzen auch viele auswärtige Gäste.

Vreni Moor

Vreni Moor lebt seit 62 Jahren in Gadmen, war hier mal Zivilstandsbeamtin und hat selber in den Büchern nach Rosa Tännler geforscht.

Therese Steudler

Therese Steudler ist eine waschechte Gadmerin und erinnert sich noch genau an den Moment, als sie ihr erstes Goldvreneli geschenkt bekam.

Erich von Weissenfluh

Erich von Weissenfluh zollt Rosa Tännler höchsten Respekt, da sie zu jener Zeit für die Frauen Pionierarbeit leistete.

Natürlich gab es auch immer wieder mal kritische Stimmen zur Entwicklung, nicht überall brach gleichermassen begeisterte Freude aus. Manche sprachen von einer «hirnrissigen Idee» oder von «Grössenwahnsinn». Die meisten Kritiker sind mittlerweile jedoch verstummt. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass in Gadmen plötzliche neue Häuser gebaut oder alte Wohnungen saniert werden und junge Menschen und Familien herziehen.

Beherzt sind die Einheimischen für ihre Ideen eingestanden, haben gehandelt und Verantwortung übernommen. Nur deshalb blüht das Bergdorf nun wieder auf.

Zahlen und Fakten

  • 1880 lebten in Gadmen 759 Menschen, heute sind es noch gut 220.
  • Zu Gadmen gehören die Weiler Hopflouenen, Nessental, Fuhren und Obermad.
  • Der höchster Punkt liegt mit dem Sustenhorn auf 3502 Meter über Meer. 20 Dreitausender stehen auf Gadmer Boden.
  • Von der Gesamtfläche von 116,6 Quadratkilometern sind nur gerade 0,5 Prozent besiedelt. Drei Viertel gelten als unproduktive Fläche wie Fels, Gletscher oder Gewässer.
  • Gadmen hat einen Schwingerkönig: Melchior Abplanalp (1838-1924), genannt «Grini-Melk», feierte seine grössten Erfolge 1865 in Thun sowie 1867 und 1869 am Unspunnen in Interlaken.
  • Die Trifthütte ist die zweitälteste Gaststätte des Schweizern Alpen-Clubs (SAC): Sie wurde im Jahre 1864 – also ein Jahr nach der SAC-Gründung – mit sechs Plätzen errichtet. Ein Jahr älter ist die Grünhornhütte am Tödi.